Blockchain-Banking 2.0: Von bestehenden Geschäftsmodellen zur Kooperation

Dominik Jocham
Blogbeiträge

Seit dem beginnenden Höhenflug des Bitcoins und dem Hype um Kryptowährungen sowie der zugrunde liegenden Blockchain-Technologie sind bereits zwei Jahre vergangen. Seitdem sind immer mehr Finanzinstitute involviert, welche die neue Technologie für sich und ihre Kunden nutzen wollen. Das so entstandene Blockchain-Banking lässt sich bereits in zwei Phasen unterteilen. Wohingegen in der ersten Phase bestehende Geschäftsmodelle auf neue Kundensegmente angewendet wurden, setzt der Erfolg im Blockchain-Banking 2.0 erheblich mehr Aufwand voraus – Kooperation statt Konkurrenz ist dabei ein Kernkriterium.

Der Bullrun von Kryptowährungen – allen voran Bitcoin und Ethereum – im Jahr 2017 hat die Distributed-Ledger-Technologie (DLT) in der Wirtschaft auf die Agenda gesetzt. Neben Effizienzsteigerungen innerhalb bestehender Wirtschaftssysteme wird der DLT die Lösung von verschiedenen Herausforderungen zugerechnet, unter anderem im Bereich Supply-Chain-Management oder dem vereinfachten Zugang zu Finanzierungslösungen mit Hilfe von Security Token Offerings (STO).

In der Finanzbranche wurde die Entwicklung der DLT und der zugehörigen Blockchain-Unternehmen aufmerksam verfolgt. Finanzinstitute versprechen sich durch den Einsatz der DLT eine Optimierung der eigenen Prozesse sowie Effizienzgewinne im Interbankengeschäft. Demgegenüber stehen die kritische Haltung zur Betreuung von Unternehmen aus der Blockchain-Industrie und der Umgang mit Krypto-Assets wie zum Beispiel Bitcoin. Gründe hierfür können im Paradigmenwechsel der DLT gefunden werden: Bis anhin sind Zahlungen über SWIFT final und in sich abgeschlossen – im Vergleich dazu wird bei einer Transaktion auf der Blockchain kontinuierlich ein neuer Block angehängt und die Kette fortlaufend weitergeführt. Weitere Gründe können im technologischen Verständnis der DLT, in der Handhabung von Transaktionen auf einer Blockchain oder in der Verwahrung von Krypto-Assets gefunden werden.

In der Aussenwirkung haben sich Finanzinstitute seit der Finanzkrise 2008/2009 vermehrt um einen skandalfreien Auftritt bemüht und sehen – unter anderem getrieben durch den Mangel an Verständnis der Technologie und klarer Regulierung – ein grosses Reputationsrisiko. Demgegenüber stehen die Chancen für Finanzinstitute, sich mit Blockchain-Banking in ihrer Nische erfolgreich zu positionieren. Aufgrund des anhaltenden Margendrucks, der zunehmenden Konsolidierung in der Finanzindustrie, der Akzeptanz von Fintech-Dienstleistungen bei Endkunden sowie dem Damoklesschwert eines Markteintritts von Big Tech (Google, Amazon, Facebook und Apple) in den Finanzsektor bietet Blockchain-Banking ein neues Geschäftsmodell.

Blockchain-Banking 1.0: Grundlegende Geschäftsmodelle

Unter dem Begriff Blockchain-Banking 1.0 sind klassische Finanzdienstleistungen zu verstehen, welche Geschäftskonten, den Zahlungsverkehr oder Anlagemöglichkeiten für Unternehmen aus der Blockchain-Industrie umfassen. Zusätzlich beinhaltet Blockchain-Banking 1.0 die Verwahrung sowie das Handling von Krypto-Assets für Kunden des Finanzinstituts. Aus Bankensicht lassen sich hierbei bestehende Geschäftsmodelle – Geschäftskonten oder der Zahlungsverkehr – auf eine neue Zielgruppe anwenden sowie neue Geschäftsmodelle – Zugang zu und Verwahrung von Krypto-Assets – im Umgang mit Krypto-Assets erschliessen. Durch den noch jungen Markt und das frühe Stadium des Produktlebenszyklus können Finanzinstitute als Early Adopter Marktanteile gewinnen und wertvolle Erfahrung im Umgang mit der Technologie sammeln. Durch die Offenheit gegenüber Blockchain-Banking 1.0 kann es den Banken gelingen, ein grosses und tragfähiges Netzwerk in der Blockchain-Industrie aufzubauen. Ergo können Markteintrittsbarrieren errichtet und im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung Richtung Ökosystem die Beziehungen zu möglichen Kooperationspartnern gestärkt werden.

Herausforderungen im Blockchain-Banking 1.0

Das Offering von Blockchain-Banking 1.0 birgt dabei verschiedene Herausforderungen im regulatorischen Bereich, im Zusammenspiel mit dem angestammten Geschäftsfeld, in den Prozessen, in der Unternehmenskultur sowie im Management von Risiken.

Ein reguliertes Finanzinstitut muss die neue Tätigkeit innerhalb des bisherigen Frameworks abbilden können und beispielsweise die Due Diligence von Blockchain-Unternehmen oder Compliance-Checks von Krypto-Assets durchführen. Die Herausforderung ist hierbei, dass keine Standards etabliert sind und jedes Finanzinstitut eine durch den jeweiligen Regulator akzeptierte Lösung erarbeiten muss.

Im Optimalfall ergänzt Blockchain-Banking 1.0 die bestehenden Geschäftsfelder, zum Beispiel das Firmenkundengeschäft. Somit können eine neue Zielgruppe erschlossen und die eigenen Kernkompetenzen in der Firmenkundenbetreuung skaliert werden. Jedoch ist davon abzuraten, Blockchain-Banking als «matter of last resort» zu sehen, da die Branche noch relativ jung ist und sich noch keine grossen Marktteilnehmer dem Thema angenommen haben. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Markteintritt von globalen Finanzinstituten eine negative Auswirkung auf die Business-Cases der bestehenden Nischenanbieter haben wird.

Zu den prozessualen und regulatorischen Herausforderungen im Blockchain-Banking 1.0 gesellen sich kulturelle Transformationsprozesse und neue Infrastrukturbedürfnisse bei den Finanzinstituten. Durch den Paradigmenwechsel mit der DLT besteht die Notwendigkeit eines geführten und auf die Bedürfnisse des neuen Geschäftsmodells ausgerichteten Transformationsprozesses. Hierbei haben sich unternehmensinterne Schulungen der Mitarbeitenden und der Umgang mit eigens hierfür kreierten Token als besonders effektiv herausgestellt. Unterstützt werden kann dies durch eine transparente und auf die Blockchain-Strategie ausgerichtete Kommunikation des Senior Managements.

Um Blockchain-Banking anbieten zu können, ist besonderes in der Verwahrung sowie für die Transaktion der Assets eine neue Infrastruktur notwendig. Obgleich als Disziplin noch relativ jung, haben verschiedene Unternehmen entsprechende Verwahrlösungen für Krypto-Assets entwickelt, welche sich teilweise bereits im Einsatz befinden. Hierbei ist festzuhalten, dass die ersten Anwendungserfahrungen zwar gesammelt werden konnten, jedoch kein Anbieter daraus eine marktdominierende Position erarbeitet hat.

Neben operativen Risiken im Umgang mit der DLT bestehen zudem verschiedene Reputationsrisiken aufgrund der vermeintlichen Anonymität von Blockchain-Transaktionen oder dem unzureichenden Verständnis des zugrunde liegenden Projekts. Besonders beim Onboarding von Blockchain-Unternehmen ist neben der klassischen Due Diligence eine fachliche Prüfung des Projekts sinnvoll. So können Reputationsrisiken frühzeitig erkannt und umgangen werden.

Finanzinstituten ermöglicht Blockchain-Banking damit interessante Möglichkeiten, sich innerhalb einer Nische zu positionieren. Voraussetzung dabei sind ein umfassendes Technologieverständnis, die Umsetzung von bestehenden Regulatorien im Blockchain-Kontext, die Nähe zum bestehenden Geschäftsmodell, ein kontrollierter Transformationsprozess sowie das gezielte Management der Risiken. Durch die Notwendigkeit eines Fiat-Zugangs zur Bezahlung von Mieten oder Dienstleistungen in der klassischen Welt besteht weiterhin ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Blockchain-Unternehmen und Finanzinstitut.

Die Blockchain-Industrie entwickelt sich weiter

In den letzten Monaten konnte der Wunsch nach mehr Regulierung in der Blockchain-Industrie beobachtet werden, was auf eine andauernde Professionalisierung schliessen lässt. Hiervon versprechen sich Blockchain-Unternehmen eine positive Aussenwahrnehmung und in der Folge Zugang zu weiteren regulierten Finanzmarktteilnehmern. Als Indikator können die Anträge für eine Banklizenz in der Schweiz geltend gemacht werden. Verschiedene Staaten wie die Schweiz oder das Fürstentum Liechtenstein arbeiten aktuell an dedizierten Gesetzen, um Klarheit im Umgang mit der DLT zu schaffen und das Potenzial der Token-Ökonomie nutzen zu können.

Spätestens seit der Ankündigung von Facebook, mit Libra eine Blockchain-basierte Währung globalen Ausmasses zu lancieren, ist die Thematik DLT in der öffentlichen Debatte sowie in der Politik präsent. Weiteres Gewicht erhält die Ankündigung, dass neben Facebook weitere globale Unternehmen als Gründungsmitglieder fungieren, unter anderem Mastercard und Uber. In der Finanzbranche öffnen sich vermehrt Unternehmen dem Blockchain-Banking und kooperieren mit Blockchain-Unternehmen. Im Bereich Infrastruktur arbeiten mehrere etablierte Finanzkonzerne an Lösungen, zum Beispiel plant die Tochtergesellschaft Swiss Digital Exchange (SDX) der Schweizer Börse SIX die Lancierung eines Sekundärmarkts mit Verwahrlösung für Security-Token. Die Herausforderungen im Blockchain-Banking 1.0 werden somit von verschiedenen staatlichen und privaten Stellen angegangen, und es werden regulierungsfähige Lösungen gesucht.

Blockchain-Banking 2.0

Wie bereits erwähnt waren im Blockchain-Banking 1.0 Banken dominierend in der Geschäftsbeziehung mit Blockchain-Unternehmen. Durch die grössere Akzeptanz der DLT bei Finanzinstituten sowie dem Verständnis für neue Geschäftsmöglichkeiten werden Blockchain-Unternehmen aus Sicht von Banken spannende Kooperationspartner. Wie durch Big Tech vor Jahren angestossen, entwickelt sich die Wettbewerbslandschaft auch im Blockchain-Banking hin zu einem Wettbewerb von Ökosystemen. Die Motive sind der Zugang zu Technologien, die tiefere Time-to-Market für neue Produkte und Services sowie die Risikoteilung zwischen Start-up und Finanzinstitut – entscheidend für den Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Finanzinstituten sind dabei die Partner innerhalb des jeweiligen Ökosystems.

Ein Musterfall ist dabei die Tokenisierung von klassischen Wertpapieren, also die Abbildung der Wertrechte des Wertpapiers auf einer Blockchain. Aufgrund der vereinfachten Handelbarkeit eines Tokens können durch Tokenisierung illiquide Wertpapiere einen vergrösserten Liquiditätspool erhalten, wodurch sie für Investoren attraktiver werden. Zugleich bedeutet jene Entwicklung einen weiteren Brückenschlag zwischen klassischer Welt und Kryptofinanzwelt. Die technische Erzeugung des Tokens, die Programmierung des Smart Contracts sowie dessen Auditing kann von einem Blockchain-Unternehmen aus dem eigenen Netzwerk durchgeführt werden. Somit zahlt es sich bereits im Blockchain-Banking 1.0 aus, das eigene Kundennetzwerk aktiv zu pflegen und belastbare Beziehungen zu knüpfen. Durch enge Kooperationen lassen sich schon früh Netzwerkeffekte realisieren, unter anderem die gemeinsame Gestaltung der Wertschöpfungskette über Unternehmensgrenzen hinweg, wodurch die eigene Marktposition gestärkt und das im Blockchain-Banking 1.0 erworbene Wissen weiter vertieft werden kann.

Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass trotz des Trends hin zu Ökosystemen im Blockchain-Banking 2.0 weiterhin Industriestandards fehlen und wichtige Infrastrukturelemente erst aufgebaut werden müssen. So gibt es beispielsweise keine einheitliche Regelung, welche Ergebnisse der Chain-Analyse von anderen Netzwerkpartnern für die Einlieferung von Krypto-Assets akzeptiert werden müssen. Angewandte Kriterien sollten dabei nicht nur aus heutiger Sicht, sondern auch in Zukunft regulatorisch standhalten. Ein weiteres, wichtiges Infrastrukturelement sind skalierbare Verwahrlösungen, die mit unterschiedlichen Ökosystemen kommunizieren können. Pioniere aus dem Blockchain-Banking 1.0 haben oftmals bereits eine Enterprise-Grade-Verwahrlösung im Einsatz, welche jedoch häufig auf die individuellen Bedürfnisse der Unternehmen zugeschnitten sind.

Da Blockchain-Banking 2.0 die Interaktionsgrenzen erweitert und mit externen Ökosystemen interagiert werden muss, bedarf es oftmals einer Anpassung der Verwahrinfrastruktur. Hierbei liegt es in der Natur der Sache, dass jedes Ökosystem seine Verwahrlösung zu positionieren versucht und somit eine technisch effiziente Interaktion mit anderen Ökosystemen tendenziell herausfordernd sein kann. Aktuell geht der Trend dabei eher in Richtung privater Blockchains, wie es das Beispiel SDX zeigt. Für den Zugang über Ökosystemgrenzen hinweg müssen jedoch zwingend die gleiche Infrastruktur und mindestens standardisierte Schnittstellen gewährleistet sein, was die Skalierbarkeit der eigenen Infrastruktur in einer ersten Phase wiederum limitieren kann.

Erfolg birgt etliche Hürden

Blockchain-Banking 2.0 bringt die Bildung einzelner Ökosysteme mit sich und setzt einen Kulturwandel aufseiten der Finanzinstitute voraus, der im Ansatz bereits beobachtbar ist. Die noch relativ jungen Ökosysteme werden sich im Laufe der nächsten Jahre weiter anpassen, und es ist zu hoffen, dass sich dabei erste Standards etablieren werden. Ausschlaggebend hierfür werden Ökosysteme sein, welche die Brücke zwischen der klassischen Welt und der Kryptofinanzwelt am besten zu schlagen wissen und zudem die nutzerfreundliche Bedienbarkeit in den Vordergrund stellen.

Neben der Transformation der eigenen Organisation ist die Unterstützung durch klassische Finanzmarktteilnehmer das erfolgsentscheidende Kriterium, denn auch heute befindet sich der grösste Teil der verwahrten Vermögen bei klassischen Finanzinstituten. Deren Adaption von Services und Geschäftsmodellen aus dem Bereich Blockchain-Banking 2.0 ist somit für den weiteren Verlauf des Wachstumsmarkts entscheidend.

Die Kooperation bzw. Synchronisierung verschiedener Ökosysteme untereinander bleibt dabei abzuwarten und kann eventuell in der Spätphase von Blockchain-Banking 2.0 eintreten. Wie jedoch bei Big Tech erkennbar, finden für Endkunden sichtbare Kooperationen zwischen den verschiedenen Ökosystemen nicht oder nur in extrem beschränktem Ausmass statt, da die Branche zu sehr auf ihren Customer-Lock-in fokussiert ist.

Blockchain-Banking 2.0 steht damit erst am Anfang. Für Marktteilnehmer bedeutet dies, dass noch etliche Hürden überwunden werden müssen, um das volle Potenzial dieses zukunftsgerichteten Geschäftsbereichs ausschöpfen zu können.

Dominik Jocham
Dominik Jocham
Dominik Jocham hat langjährige Bankerfahrung und konzentriert sich auf die Weiterentwicklung der Blockchain-Bankdienstleistungen der Bank Frick. Nach seinem Studium an der Universität St. Gallen mit dem Schwerpunkt Business Innovation war er für die UBS in Zürich und im Ausland tätig.