Ökonomische Aspekte der Adaption von Kryptowährungen

Dr. Martin Angerer
Blogbeiträge

Durch das Aufkommen und Erstarken von Kryptowährungen sind Fiat-Währungen plötzlich der Situation ausgesetzt, eine Alternative unter vielen zu werden. Die Folgen einer solchen Entwicklung sind heute noch nicht absehbar, werden jedoch schwerwiegend sein. Im Fokus steht dabei die Frage, ob sich die Währungsformate gegenseitig ergänzen oder konkurrenzieren.

Jahrzehntelang waren klassische staatliche Fiat-Währungen alternativlos und wurden somit auch nicht in Frage gestellt als Mittel der Wahl, um Geldgeschäfte abzuschliessen. Seit etwas mehr als 10 Jahren gibt es den Bitcoin, der sich in den letzten Jahren zwar als fixe Grösse am Währungsmarkt etabliert hat, aber bisher sein disruptives Potenzial noch nicht annähernd ausschöpfen konnte. Spätestens seit der Ankündigung von Facebook, auf Basis eines Unternehmenskonsortiums eine eigene digitale Währung in Form des Libra auf den Markt bringen zu wollen, hat das Thema jedoch endgültig Fahrt aufgenommen. So befassen sich als dritte Art von Spielern nun auch Nationalbanken sehr intensiv damit, wie sie digitale Währungen ausgestalten können, um technologisch nicht abgehängt oder vielleicht sogar ersetzt zu werden.

In diesem Beitrag werden ökonomische Aspekte bei der Adaption der drei Ansätze beleuchtet und diskutiert, ob die Währungen sich gegenseitig ergänzen oder konkurrenzieren. Technische und regulatorische Aspekte werden dabei nur am Rande behandelt, was deren Wichtigkeit in der Umsetzung nicht schmälern soll. Im Fokus stehen dabei die grundsätzlich verschiedenen Ansätze, also dezentrale, (pseudo-)anonyme Währungen; unternehmensemittierte (private) Währungen; und Zentralbanken im Allgemeinen. Nicht behandelt werden Spezifika in deren Ausgestaltung. So werden hier zwar Bitcoin und Libra als aktuell prominenteste Vertreter ihres Typus oft als Beispiel herangezogen, die Argumentationen gelten jedoch stellvertretend für jeweils den gesamten Typus.

Braucht es überhaupt eine neue Währung?

Im Laufe der Zeit gab es einige Fälle von grossen Währungen, die gescheitert sind, wie den römischen Denar im Jahr 274 oder das britische Pfund nach dem Zweiten Weltkrieg, jeweils insbesondere durch die grosse Überschuldung, um den Imperialismus zu finanzieren. Immer wenn das Währungswachstum das Produktivitätswachstum längerfristig übersteigt, werden Währungen instabil. Dieser Zustand ist also nicht natürlich, sondern wird künstlich hervorgerufen. Die Frage ob oder wann dies auch mit der aktuellen hegemonischen Weltwährung, dem US-Dollar, passieren könnte, steht aufgrund der hohen Überschuldung genauso im Raum.

Effizienzpotenziale könnten von Kryptowährungen ausgeschöpft werden

Das aktuelle Währungssystem ist in Teilen bereits sehr effizient wie beispielsweise die riesige Zahl an Zahlungen oder Transaktionen zeigen. Insbesondere in Fällen in denen es viele Finanzintermediäre braucht (bspw. internationale Überweisungen), gibt es jedoch noch grosse Effizienzpotenziale, die mit Kryptowährungen ausgeschöpft werden können. Zudem besteht global gesehen immer noch grosser Handlungsbedarf im Bereich der Inklusion grosser Teile der Weltbevölkerung. Auch hier könnten Kryptowährungen eine gute Lösung darstellen.

Natürlich braucht es für einen Regimewechsel ausreichend Unterstützer bzw. Adaption. Erste Stimmen deuten darauf hin, dass über einen solchen Fall zumindest nachgedacht wird. Mark Carney, Gouverneur der Bank of England und Vorsitzender des Financial Stability Boards, deutete bereits beim letzten Annual Jackson Hole Meeting an, dass durchaus eine neue synthetische hegemonische Währung denkbar wäre, die den US-Dollar ablösen könnte. Andere Hinweise liefern Staaten wie China oder Russland, die in den letzten Jahren ihre Goldreserven massiv aufgestockt haben, um die Abhängigkeit vom US-Dollar als Reserve zu verringern.

Geld muss drei Kriterien erfüllen

Um Währungen diskutieren zu können, muss man sich zuerst in Erinnerung rufen, welche Funktionen Geld erfüllen muss. Geldökonomen definieren «Geld» anhand von drei Kriterien, die alle erfüllt sein müssen: (1) Die Zahlungsmittelfunktion (ZMF), (2) die Wertaufbewahrungsfunktion (WAF), sowie (3) die Recheneinheitsfunktion (REF). Geld hat dann eine Zahlungsmittelfunktion, wenn es üblicherweise dafür verwendet werden kann, Waren und Dienstleistungen zu erwerben oder Forderungen zu begleichen. Die Wertaufbewahrungsfunktion ist dann erfüllt, wenn die Kaufkraft des Geldes über die Zeit, vor allem kurzfristig, verlässlich und stabil bleibt. Als Recheneinheit erfüllt Geld seine Funktion dann, wenn es als Wertmassstab herangezogen werden kann, bspw. als Bewertung von Leistungen in Form von Waren, Arbeitsstunden, etc. Jegliche Art von Währung muss man anhand dieser drei Kriterien bewerten, um dessen Funktionalität zu bewerten.

Bitcoin erfüllt Kriterien nicht in ausreichendem Mass

Unterzieht man den Bitcoin einer kritischen Prüfung der drei oben genannten Kriterien, stellt man fest, dass er aktuell keine der drei Funktionen im ausreichenden Masse erfüllen kann. Dabei steckt der Bitcoin, obwohl technologisch herausragend, in einem grossen Dilemma betreffend seiner weiteren Adaption. Die Meinungen, welche Funktion der Bitcoin zukünftig erfüllen können soll, teilen sich grob gesagt in zwei Lager: Das eine, das den Bitcoin als zukünftiges Zahlungsmittel sieht (das andere grosse FIAT-Währungen potenziell ersetzt), und das andere, das in Bitcoin vor allem das Potenzial der Wertaufbewahrungsfunktion erkennt (das potenziell Gold ersetzt). Beide Ansätze vereint, dass es grosse Hindernisse bei der Adaption gibt.

Als Zahlungsmittel bedingt geeignet

Bitcoins können bis heute immer noch sehr selten als Zahlungsmittel verwendet werden. Neben den Problemen der technischen Umsetzung ist ein Hauptgrund dafür vor allem die hohe Volatilität des Bitcoins und die damit schwache Recheneinheitsfunktion. Die Volatilität des Bitcoins begründet sich aus dessen aktuell primären Verwendung als Investment. Das heisst, an manchen Tagen wird ein grosser Teil der vorhandenen Gesamtgeldmenge auf den Markt gebracht bzw. abgezogen, was zu hohen Wertschwankungen führen kann. An dieser Stelle entsteht das Dilemma: Je mehr der Bitcoin adaptiert wird, desto attraktiver wird er, desto höher wird er bewertet, und desto interessanter wird er als Investitionsobjekt. Folglich wird die Kryptowährung vermehrt gehalten und noch weniger verwendet, wodurch wiederum höhere Volatilität entsteht. Ein schleichender Übergang des Einsatzes von Bitcoin von einem Investitionsobjekt zu einem Zahlungsmittel erscheint daher sehr unwahrscheinlich.

Kryptowährungen als Parallelwährung zu bestehenden Währungen?

Eine auf den ersten Blick denkbare Alternative wäre, dass ein Land beschliesst, den Bitcoin als zusätzliche, neue Kryptowährung einzuführen und einen fixen Wechselkurs zur bestehenden FIAT-Währung zu etablieren, ähnlich dem Vorgehen bei der Einführung des Euro als Ersatz für die Deutsche Mark. Dies funktioniert aber nur in Fällen, in denen man eine alte Währung durch eine ganz neue ersetzen will und in der Übergangszeit, adjustiert über den Wechselkurs, dieselbe Kaufkraft aufweisen. Die neue Währung übernimmt damit auch automatisch die Inflation und andere Eigenschaften der alten Währung, da sich beispielsweise die Produktivität des Landes nicht ändert. Dies kann der Bitcoin als komplett anders ausgestaltete Währung jedoch nicht leisten. Eine vollständige schleichende Adaption einer dezentralen Kryptowährung als Zahlungsmittel erscheint aus heutiger Sicht also unwahrscheinlich.

Der Bitcoin als digitales Gold

Es ist relativ unumstritten, dass physisches Gold seit vielen Jahrzehnten als ausgezeichneter Wertaufbewahrungsspeicher funktioniert. Dies liegt vor allem dessen überschaubarer Volatilität sowie der negativen Korrelation mit Aktienmärkten. In der Vergangenheit hatte der Bitcoin eine viel zu hohe Volatilität um diese Funktion wahrnehmen zu können. Auch sind die Korrelationen von Bitcoin mit Aktienmärkten und zu physischem Gold über mehrere Jahre betrachtet nicht stabil. Prinzipiell weist der Bitcoin aber tatsächlich auch viele Eigenschaften auf, die für einen Wertspeicher sehr wertvoll sind, wie bspw. eine endliche Anzahl an Coins oder die Möglichkeit, schnell und einfach zu kaufen oder zu verkaufen. Übers Ganze gesehen scheint Bitcoin tatsächlich das Potenzial zu haben, als Wertspeicher zu dienen.

Jedoch ist auch bei der Funktion als Wertaufbewahrungsspeicher das Problem der Adaption schlagend. Diese kann kaum schleichend passieren. Gold hat sich vom Zahlungsmittel (via Münzen) langsam zu einem Speicher entwickelt. Global gesehen war und ist der grösste Teil des Goldes im Umlauf. Für Bitcoin gilt dies zurzeit nicht: Anfang 2020 lag die geschätzte Anzahl an Nutzern von Bitcoin bei rund 20 Millionen – weltweit! Und innerhalb des Nutzerkreises gibt es noch grosse sogenannte Kryptowale, die den Löwenanteil der Coins halten. Es erscheint unwahrscheinlich, dass sich etwas zum allgemeinen Wertspeicher entwickeln kann, dessen Bestände schon zum grössten Teil verteilt sind und in wenigen Händen liegen. Sollte dieses Anfangsallokationsproblem jedoch gelöst werden, erscheint eine Adaption als «digitales Gold» zumindest langfristig denkbar.

Die Libra – die Antwort von Facebook

Die Libra ist technisch als private (permissioned) Kryptowährung auf Blockchainbasis konzipiert. Im Sinne eines «Stablecoin» wird der Libra einem Korb von internationalen Währungen unterliegen. Die genaue Aufteilung ist dabei bis heute nicht bekannt. Aufgrund der beteiligten Unternehmen ist jedoch ein überwiegender Anteil des US-Dollar zu erwarten. Auch hier steht ähnlich dem Bitcoin der Gedanke finanzieller Inklusion im Vordergrund. Libra verspricht eine einfache und billige Alternative zu Bargeld und Giralgeld zu bieten und globalen Zugang zu einer (inflations-) stabilen Währung zu gewähren. Im Unterschied zum Bitcoin gibt es dabei keine Skalenprobleme und deutlich geringere Volatilität.

Die Libra dürfte somit ökonomisch gesehen, im Gegensatz zum Bitcoin, keine Adaptionsprobleme haben. Sie könnte bei ausreichender technischer Sicherheit sehr schnell eingeführt werden und genaue jene Versprechen von Kryptowährungen einlösen: einfacher, sofortiger, sicherer und billiger Handhabung von Geld und (internationalen) Zahlungen. Facebook hat weltweit etwa 2,4 Mia. Nutzer und auch andere Mitglieder des Libra-Konsortiums tragen hier zum potenziellen Nutzervolumen bei. Zahlen in ähnlicher Grössenordnung können auch andere Technologiekonzerne wie Google oder Amazon vorweisen.

Adaption der Libra als Zahlungssystem

Libra soll nicht nur eine eigene Währung werden, sondern auch eine Plattform darstellen, die ein Zahlungssystem für Geldtransfers anbietet. Dieser Aspekt wird insbesondere im neuen Entwurf von Libra 2.0 hervorgehoben. Es soll dann möglich sein, neben dem Libra Coin auch digitale Versionen der bestehenden Währungen wie USD oder EUR zu transferieren. Ob Libra-Transaktionen genauso sicher sein werden wie heutige Banktransaktionen, bleibt abzuwarten, da sich Libra bis heute noch nicht klar dazu geäussert hat, welche Blockchaintechnologie eingesetzt werden soll. Einerseits wären auch bestehende Systeme wie SWIFT, IPFA oder SEPA bereits zu Echtzeit-Überweisungen fähig. Zurzeit werden diese Services aber nur mit Aufzahlung, sozusagen als Premiumüberweisung angeboten. Andererseits verwenden auch schon viele Banken (global über 200) wie HSBC, Barclays, die Bank of England oder auch UBS die Kryptowährung Ripple, um untereinander internationale Direktüberweisungen zu tätigen. Der Vorteil liegt in geringeren Transferkosten, schneller Durchführung (ca. 4 Sekunden), Skalierbarkeit (ca. 1ʼ500 Transaktionen pro Sekunde und guter Stabilität der Blockchain.

Der Bedarf an günstigen globalen Überweisungen wird auch im Privatkundenbereich durch den Erfolg von Fintechs wie Transferwise belegt, welches aktuell mit einer Bewertung von USD 3,5 Mia. das wertvollste europäische Finanz Startup ist, obwohl es im Grunde nur günstige globale Überweisungen anbietet. Libra könnte dabei herausstechen, da die Adaption in viele bestehende Zahlungssystem (z. B. Kreditkarten) verhältnismässig einfach in Form einer zusätzlichen Währungsauswahl möglich wäre. Unter Libra 2.0 sind auch weitreichende Funktionen im Sinne von Smart Contracts vorgesehen, die Finanzdienstleistungen wie Kredite direkt auf der Plattform ermöglichen sollen.

Ökonomisch interessant ist das Konzept der Libra sich als Stablecoin an einen Währungskorb zu binden. Dies bedeutet freilich nicht, dass der Wechselkurs z. B. zum US-Dollar konstant bliebe, sondern eben nur zum gesamten Korb. Als Resultat würde die Libra gegenüber anderen Währungen schwanken. Gegenüber grossen Währungen zwar nur vergleichsweise wenig, aber Nutzer aus Schwachwährungsländern hätten einen entsprechenden Aufwertungsvorteil, was die Libra in der Folge attraktiver als die heimische Währung machte und letztere daher umso mehr schwächen würde.

Die nichtökonomischen problematischen Aspekte von Libra sind vielfältig. Im Vordergrund stehen dabei insbesondere ungelöste Fragen zur tatsächlichen Datensicherheit, aber auch wie eine transnationale Währung regulatorisch aufgesetzt werden kann. Um als allgemeines Zahlungsmittel akzeptiert zu werden, müssten alle nationalen und internationalen Regulierungen, wie beispielsweise Geldwäscherei- oder Identifikationsprozesse eingehalten werden.

Ein Angriff auf staatliches Geld?

Viele Befürworter von Kryptowährungen argumentieren die komplementäre Funktion von Kryptowährungen, und dass diese parallel neben den staatlichen Währungen existieren können (und sollen). Dabei wird häufig vergessen, welche Implikationen dies im Alltag hätte. Würde der Bitcoin oder die Libra tatsächlich zu gängigen Zahlungsmitteln werden müssten in Geschäften jeweils zwei stets zu einander schwankende Währungen ausgepreist werden. In der Praxis führt dies dazu, dass Preise angepasst werden müssten, insbesondere wenn die heimische Währung stark zur Kryptowährung schwankt. Und: Langfristig hat sich bis dato in jedem Land, in dem es zwei konkurrierende Währungen gab, eine als alltägliches Zahlungsmittel durchgesetzt, meist nicht die schwache einheimische, sondern die starke ausländische (wie der USD). Dies führt zu weiterem Kontrollverlust der lokalen Währungshüter.

Ein noch wichtigerer Faktor dürfte für Anbieter von privatem (nicht staatlichen) Geld jedoch die Aussicht darauf sein, dass mit einer nichtstaatlichen Währung auch das implizite Privileg der Geldschöpfung, bzw. der Steuerung der Geldmenge, einhergeht. Heute liegt die Geldhoheit vor allem bei den Banken, welche durch die Ausgabe von Giralgeld de facto das Geldschöpfungsrecht ausüben. Gesteuert wird dies von den Zentralbanken, welche mit Ausgabe von Richtlinien zur Mindestreserve die Geldmenge beeinflussen. Was in der Theorie sehr zentral und staatlich kontrolliert klingt, verschiebt in der Realität sehr viel Macht in das Bankensystem, welche die Gesamtgeldmenge durch die Kreditvergabepraxis massiv beeinflussen kann. So halten Banken heute nur noch ein bis zwei Prozent des Giralgelds tatsächlich als Kassenbestand und auch die Mindestreserve, die Banken halten müssen, liegt real nur im einstelligen Prozentbereich. Bei nicht staatlichem privatem Geld würde noch mehr Kontrolle verloren gehen.

Libra könnte US-Dollar degradieren

Insbesondere Unternehmenswährungen wie die Libra könnten mit einem (schon laut angedachten) Einstieg ins Spar-, Kredit- und Investmentgeschäft ebenfalls die Möglichkeit haben Geld zu schöpfen, jedoch ohne Zentralbankkontrolle. Somit haben aktuelle Kryptowährungsprojekte wie die Libra tatsächlich relativ grosses Potenzial zu einer „Weltwährung“ zu werden. Sollte sich neben einer nationalen Währung so eine zweite Währung etablieren, welche erhebliche Vorteile mit sich bringt, würde dies, wie oben diskutiert, langfristig sogar starke Währungen wie den US-Dollar oder den Euro unter Druck setzen und vielleicht sogar zu theoretischen Rechnungseinheiten degradieren. Zentralbanken hätten dann, ähnlich dem heutigen Giralgeld, nur noch begrenzt Einfluss auf die Libra in dem sie die rechnerische Dollar-Währung im dahinterliegenden Korb (der dann, äquivalent zu heute, die Mindestreserve darstellt) beeinflussen. Im Unterschied zu heute würde sie nur noch einen Teil der Mindestreserve beeinflussen können.

Die finanzielle Inklusion könnte teuer zu stehen kommen

Zentralbanken haben erst mit der Ankündigung des Libra angefangen, sich ernsthaft mit digitalen und teilweise sogar Kryptowährungen zu beschäftigen. Bisher wurden diese Ideen jahrelang mehr oder weniger belächelt. Mit dem Einstieg von global agierenden Technologiekonzernen haben die Zentralbanken erkannt, dass sie Gefahr laufen, die monetäre Souveränität zu verlieren. Unberechtigt ist die Sorge der Zentralbanken nicht, so besitzen Konzerne wie Facebook die benötigte riesige Zahl an Nutzern, um das Adaptionsproblem lösen zu können.

Die monetäre Brisanz für die grossen Währungen ist hoch, für schwache Währungen noch höher. So gesehen ist ein Ziel der Entwickler von Kryptowährungen, nämlich globale finanzielle Inklusion, ein zweischneidiges Schwert. Die Inklusion wäre wohl gegeben, jedoch würde eine globale Kryptowährung nationale Währungen unter hohen Druck setzen, da sie (als neue hegemonische Weltwährung) stabiler und weniger inflationär wäre als die meisten anderen Währungen. Insbesondere Schwachwährungsstaaten laufen damit schnell in Gefahr ihr Währungsmonopol de facto abgeben zu müssen und damit auch ihre Möglichkeit gegenüber anderen Volkswirtschaften abzuwerten, um die heimische Wirtschaft zu stützen. Zu was dies führen kann, konnte man in den letzten Jahren im Euro-Land Griechenland beobachten. Das vermeintliche Geschenk der Inklusion könnte sich somit als sehr teuer erweisen.

Kryptowährungen werden nicht mehr verschwinden

Krypto- und Digitalwährungen werden aus unserem Finanzsystem nicht mehr verschwinden, da sie gegenüber bestehenden Geldsystemen grosse Effizienz- und Anwendungsvorteile bieten. Sie werden sich aber vermutlich nicht nach und nach durchsetzen, sondern innerhalb kurzer Zeit bestehende Währungssysteme ersetzen. Wann dies passieren wird, ist schwer zu prognostizieren.

In diesem Artikel wurden vorrangig Bitcoin und Libra als aktuelle Vertreter verschiedener Spielarten von Kryptowährungen diskutiert. Welche Kryptowährung sich dereinst tatsächlich durchsetzen wird, wird sich weisen. Immer mehr Unternehmen wollen eine eigene «Firmenwährung» auf Basis der Blockchain-Technologie etablieren. Dabei unterscheiden sich die Motive, die von günstigen Transaktionskosten bis zu Kundenbindung reichen können. Verbote oder das Schlechtreden von Kryptowährungen durch nationale Entscheidungsträger erfüllen höchstens eine aufschiebende Funktion. Verhindert werden können Kryptowährungen nicht.

Spannend bleibt die Frage, welche Art von Geld sich die dominante Position erkämpfen wird: Eine dezentrale, eine unternehmensbasierte oder doch eine staatlich herausgegebene Digitalwährung. Aktuell scheint alles möglich.

Martin Angerer
Dr. Martin Angerer
Martin Angerer is an Assistant Professor at the Institute for Finance of the University of Liechtenstein and heads up the blockchain and fintech research area. After completing his doctoral programme in economic and social sciences at the University of Innsbruck, he specialised in the research fields of behaviour-based finance and retirement provision. In recent years, he has increasingly worked on also applying his findings and methods to financial innovations.